Switzerland
20.06.19

Open letter (in German) to the President of the Swiss Confederation on the occasion of his meeting with President Duque

Herr BundespräsidentUeli MaurerEidgenössisches Finanzdepartement Bundesgasse 33003 Bern


Bern, 19. Juni 2019

Besuch des kolumbianischen Präsidenten Ivan Duque in der Schweiz

Sehr geehrter Herr Bundespräsident Maurer

Sie empfangen am Donnerstag, 20. Juni 2019, den kolumbianischen Präsidenten Ivan Duque.Dazu möchten wir Ihnen als Kolumbienplattform Schweiz und OMCT einige Anliegen aus Sichtder kolumbianischen Zivilgesellschaft darlegen und Sie bitten, diese Anliegen in denGesprächen mit Präsident Duque aufzunehmen. Die Kolumbienplattform Schweiz umfasst 17Schweizer Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit und der Menschenrechtsarbeitzu Kolumbien.

Kolumbien ist für die internationale Zusammenarbeit der Schweiz ein Schwerpunktland, dasSECO engagiert sich in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und es bestehen einFreihandels- und ein Investitionsschutzabkommen. Viele Schweizer Unternehmen habennamhafte Investitionen getätigt in Kolumbien und Kolumbien ist viertwichtigsterHandelspartner der Schweiz in Südamerika. Das EDA engagiert sich für den Schutz vonMenschenrechtsverteidigerInnen, der Vergangenheitsbewältigung und der Friedensförderung,die DEZA ist v.a. mit humanitärer Hilfe vor Ort präsent. Das Schweizer Engagement hatwesentlich dazu beigetragen, dass Ende 2016 ein Friedensabkommen mit der GuerillagruppeFARC abgeschlossen werden konnte.

Die Fortschritte, die Kolumbien auf dem Weg zu Frieden und Respekt für die Menschenrechteerreicht hatte, drohen unter der neuen Regierung von Präsident Duque verloren zu gehen. DieUmsetzung des Friedensabkommens hat sich seit dem Amtsantritt von Präsident Duquedeutlich verlangsamt. Besonders kritisch ist die Umsetzung des ersten und des viertenPunktes des Friedensabkommens, nämlich die integrale Agrarreform und die Lösung desDrogenproblems. Im Nationalen Entwicklungsplan 2018-2022 ist die Umsetzung desFriedensabkommens nicht genügend verankert und die Budgets für wichtige Mechanismenwie der Übergangsjustiz, der Wahrheitskommission und der Sucheinheit für Verschwundenewurden gestrichen oder massiv gekürzt. Die kolumbianische Regierung hat auch versucht, dieUmsetzung des fünften Punktes des Abkommens über den Umgang mit den Opfern desbewaffneten Konfliktes zu behindern, in dem Präsident Duque gegen verschiedene Artikel des Gesetzes für die Übergangsjustiz Einwände anbrachte. Zudem negiert die kolumbianischeRegierung die Existenz des bewaffneten internen Konflikts und spricht von einemTerrorismusproblem und von gemeinrechtlichen Verbrechen. Der Dialog mit der nochverbleibenden Guerilla, dem ELN, wurde nach einem Anschlag auf eine Polizeischule inBogotá im Januar 2019 abgebrochen.

Zudem haben die Morde an MenschenrechtsaktivistInnen und sozialen Führungspersonen seitdem Abschluss des Friedensabkommens Ende 2016 massiv zugenommen. In Kolumbienwurden 2018 weltweit am meisten MenschenrechtsverteidigerInnen ermordet. Seit Dezember2016 wurden über 400 soziale Führungspersonen ermordet, darunter Personen die sich fürdie Umsetzung des Friedensabkommens, die Substitution der Kokapflanzungen oder denErhalt der Umwelt einsetzen. Zudem wurden bis zum 15. Mai 2019 114 ehemalige Mitgliederder FARC und 31 Familienangehörige von ehemaligen KämpferInnen ermordet. Bezüglich derTäterschaft und der Motive dieser Morde herrscht weitgehende Straflosigkeit, während diekolumbianische Regierung die Systematik und die politischen Gründe hinter den Mordennegiert. Der Schutz der MenschenrechtsverteidigerInnen wurde stark militarisiert, bisherigeSchutzmechanismen, in denen die Zivilgesellschaft eingebunden war, wurden nicht mehraktiviert. Diese Militarisierung betrifft auch viele ehemalige Konfliktgebiete, was dem Geist desFriedensabkommens widerspricht, das mit den territorialen Entwicklungsplänen eineumfassende, auch soziale Präsenz des Staates aufbauen wollte. Die Regierung Duque siehtdas Sicherheitsproblem in vielen Regionen, aus denen sich die ehemalige FARC-Guerillazurückgezogen hat, als ein Problem von illegalen Strukturen und Ökonomien, weshalb siebeispielswiese den illegalen Goldabbau und den Kokaanbau militärisch bekämpft. Auch setztdie Regierung Duque weiter auf die Rohstoffausbeutung und Agroindustrie alsEntwicklungsmodell, was zu weiteren Konflikten mit ethnischen und ländlichenGemeinschaften führt. Dabei limitiert die Regierung die Mechanismen zur Mitbestimmung derBevölkerung wie die Volksbefragungen und unterdrückt Proteste, z.B. gegen Projekte zuFracking, mit Gewalt. Die Regierung sah sich in ihrem knappen ersten Jahr heftigen sozialenProtesten von Studenten, KleinbäuerInnen und Indigenen gegenüber, denen sie mit Gewaltund Repression statt mit Verhandlungen begegnet.

Wir bitten Sie deshalb, im Gespräch mit Präsident Duque auf die Wichtigkeit folgender Punktehinzuweisen:

  • Dass die kolumbianische Regierung die Umsetzung des Friedensabkommens mit denFARC stärkt und wieder beschleunigt, und dafür genügend finanzielle Mittel bereitstellt;

  • Dass die kolumbianische Regierung ihre unmissverständliche Unterstützung für dieÜbergangsjustiz und das System für Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

    erklärt;

  • Dass der Dialog mit der Guerilla des ELN wieder aufgenommen wird;

  • Dass insbesondere die Politik der freiwilligen Substitution der Kokapflanzungen

    verstärkt und mit genügend finanziellen Mitteln fortgesetzt und auf die Besprühung der

    illegalen Pflanzungen mit Glyphosat verzichtet wird;

  • Dass paramilitärische und kriminelle Gruppierungen effektiv bekämpft undentwaffnet

    werden;

  • Dass die Politik und die Massnahmen zum Schutz der

    MenschenrechtsverteidigerInnen mit der Zivilgesellschaft abgesprochen werden undnicht nur auf physischen Schutz, sondern auch auf die Ursachen der Drohungenabzielen;

  • Dass auf die Stigmatisierung von sozialen Führungspersonen undMenschenrechtsverteidigerInnen und auf die Kriminalisierung sozialer Protesteverzichtet wird;

  • Dass statt auf Repression auf sozialen Dialog gesetzt und die Mechanismen zurpolitischen Teilhabe der Bevölkerung gestärkt werden.

Wir danken Ihnen für die Kenntnisnahme und die Berücksichtigung dieser Punkte.

Freundliche Grüsse,

ask! - Arbeitsgruppe Schweiz - Kolumbien
World Organisation Against Torture (OMCT)